Festlandfundsachen

C. – kleiner Helgoländer mit langem Stammbaum auf der Insel – ist ein großer Finder. Bevorzugt an den Stränden der Welt – am liebsten aber hier auf dem Felsen. C. beobachtet aufmerksam im Unterricht – und so untersucht er auch den Strand – und findet Dinge, die andere übersehen. Das letzte Fundstück ist eine Patrone aus dem Weltkrieg – 9mm – haben wir herausgefunden. Die Hülse ist offen, angerostet. Aus welcher und wessen Waffe mag sie gekommen sein? Hat sie ihr Ziel erreicht? – Wir hoffen beide -nicht.

Die Patrone wird ihren Platz in Cs Fundsachenvitrine finden – neben versteinerten Seeigeln und rätselhaften Henkeln.

Uns verbindet das Finden von kleinen Dingen, die wir nach Hause schleppen. Doch während Cs. Patrone in seiner Vitrine neben versteinerten Seeigeln und rätselhaften Henkeln einen Platz findet, landen meine Funde auf Schreibtisch, auf Esstisch, auf Fensterbänken oder auf Fotografien.

Manche Funde sind wie Begegnungen, alte Bekannte aus einer früheren Zeit, die sich noch einmal melden, bevor sie irgendwo endgültig verschwinden.

Diesen Pulli hatte ich einmal für ein Baby gestrickt. Inzwischen ist aus dem Baby eine junge Frau geworden, die in ihrem eigenen Leben steht. Und ich begegne noch einmal kurz dem Baby und mir – winke innerlich beiden zu – und erfreue mich an der tollen Erwachsenen.

Über dieses kleine Plakat, das zu Füßen einer Werbewand zwischen Landesmuseum und Mollerbau in D. lag, stolperte ich fast. Ich hob es auf – und, da es so aufwändig gestaltet war, klebte ich es wieder an. Zu schade, um es einfach liegen zu lassen.

Wer es wohl geschrieben hat? Warum? –

Ich könnte jetzt lange ausholen, über ‚Leistungsgesellschaft‘ als eine der Mythen des Kapitalismus erzählen, über protestantische Leistungsmoral und die jahrhundertelange langsame Zurichtung der menschlichen Seelen auf die Bedingungen eines seelenlosen Arbeitstaktes referieren. Nein – das ist nicht nötig. Denn ohne all dies studiert zu haben, hat der/die Künstler*in in der Frage alles zusammengefasst. (Und wer dies doch ausführlich wissen möchte, den verweise ich auf die Dokumentationen der arte-Mediathek. – ;-))

Fast wie als Antwort zeigte mir eine alte Freundin bei meinem Besuch ein altes Werk von Enzensberger über den spanischen Anarchisten Durruti.

Ein Leben des Aufbäumens gegen eine ungerechte Welt. Ein tragisches Ende im Spanischen Bürgerkrieg. Der Film beginnt mit der Aura des Gesetzlosen, die durch Zeitgenossen noch einmal beschworen wird. Doch endet er im Unvermögen von Anarchisten und Kommunisten, sich gemeinsam gegen die Faschisten zusammenzuschließen. Das Ergebnis kennen wir …

Turn the world around….

Festlandherbst

Hier auf dem Felsen hatte der Herbst Anfang Oktober schon Einzug gehalten. Die ersten Herbststürme hatten die trockenen Blätter von den Ästen gefegt.

Die Saison neigte sich merklich dem Ende zu – ein letzter Schwung an Vogelkundlern überschemmte die Insel auf der Suche nach dem exorbitant seltensten kleinsten Zugvogel der Welt.

Und ja – an hellen Abenden – ohne Sturmpfeifen – konnte man ihren Schwarmtanz am Himmel sehen.

Ein letztes Kreuzfahrtmonster hatte vor Helgoland angelegt und seine Ladung auf das Land ergossen.

Zeit zur Abfahrt aufs Festland, um einige Leute zu sehen, die mir am Herzen liegen.

Auf dem Festland in D. noch keine Spur von Herbst – es fühlte sich an wie ein Urlaub in Italien – milde Luft, sommerwarme Sonnenstellen.

Nur das Licht und die kürzer werdenden Tage passten nicht zu diesem Eindruck.

Einige Bäume gaben sich aber schon redlich Mühe, bunt zu werden und feuerten ihr Rot und GElb in den beginnenden Abend hinein.

Die Bewohner im Kiez meines Bruders sind noch in Spätsommerstimmung. Auf dem zentralen Platz findet ein kleines Konzert statt. Eine junge Band spielt auf.

Am Wochenende spontaner Ausflug auf den Heiligenberg, einem Aussichtspunkt in der vordersten Reihe des Odenwalds. Hier war ich als Kind zum Spielen, als Teenager zum Feiern.

Die Reste des Klosters, das sich dort oben befand, machte ich zu Kulissen selbst erdachter Geschichten.

Heute betrachte ich den Horizont, die ersten Höhenkette der Pfalz. Die Windmühlen wirken so nah, als könnte man sie vom Bild greifen.

Es ist einer der seltenen Tage ohne Dunstglocke über der Rheinsenke.

Das letzte Mal, als wir hier waren, war noch T. dabei …..

Ihm scheine, sagt mein Bruder an diesem Tag, es gehöre zu den Aufgaben des Altwerdens, das Gehen der Nächsten zu ertragen.

Wenn..