Ungewiss

ist, wohin die Welt und das kleine Europa und darin der kleine Felsen mitten in der Nordsee segeln wird.

Am Wahltag beherrscht Nebel den Felsen. Wie passend, denke ich beim Aufstehen.

Gestern wurden die großen Plakate der Parteien aufgestellt und die hiesige CDU machte sogar ehrlichen Straßenwahlkampf.

Ich vermisse das Wahlkampfgetöse nicht wirklich. Das, was zu mir über Zeitungen oder Podcasts dringt, beunruhigt mich in Teilen genug, um schlecht zu träumen.

Nach meinem Termin mit dem Wahllokal besuche ich die anderen Zweibeiner.

Unbeeindruckt vom Lauf der Welt zupfen Basstölpel das alte Gras zur Polsterung ihrer Nester ab.

Ganz anders die Lummen: Sie quetschen sich dicht an dicht an den Felsen und sorgen so für Wärme. Ihre Eier werden später von kleinen Absätzen im Felsen gehalten werden.

In meiner Lieblingskolonie werden die Nester weiter gebaut. Ihre Bewohner fliegen an oder ab.

Und wenn der geliebte Partner zurückkommt, gibt es großes Hallo und Feierei.

Es ist feucht und kalt hier draußen. Der Dunst verwischt oben und unten – kein einfaches Bild, wenn man gerade selbst nach Orientierung sucht.

Ich sitze auf den Resten einer alten Flak-Stellung aus dem 2. Weltkrieg, während drei alte Männer versuchen, die Welt unter sich aufzuteilen.

Nächste Woche kommt Besuch – ganz viel Gelegenheit, es den Lummen gleich zu tun – und ich freue mich tierisch.

Vulnerables Idyll

Der Tag heute war hell und grell. Nachts unter Null – auch tagsüber geht noch ein recht scharfer Nordostwind, so dass an den Schattenstellen selbst am Nachmittag noch Reifstellen zu sehen sind.

Doch die Sonne macht den Kopf ganz gaga. Sie zaubert die Tränen heraus, die fließen müssen, aber sie wärmt auch Herz und Hirn.

Die ersten Basstölpel sind angekommen. Sie zupfen sich schon die Nester zurecht, leider auch mit den Plastikresten vom letzten Jahr.

Sie streiten um die schönsten Plätze. Fällt einer beim Landen auf den falschen, geht – wie bei uns Zweibeinern – eine Welle der Empörung durch die Kolonie.

Der Wahlkampf auf dem Felsen bleibt leise. Bei der Post ist jemand auf die Idee gekommen, AfD-Flyer in die Postfächer zu legen. What? Das hat schon eine andere Qualität als Flyer, die in Briefkästen gesteckt werden.

Doch am selben Tag finde ich diesen Aufkleber an einem zentralen Ort.

Der Wahlkampf wird hier still geführt und der AfD-Aufkleber ist inzwischen abgekratzt ;-).

Ich denke in den letzten Wochen oft an Viktor Klemperer, der den Aufstieg der Nazis in den Zwanzigern vor hundert Jhhren sehr anschaulich in seien Tagebüchern beschreibt. Diese sind übrigens sehr gut in einem Podcast von der Historikerin Leonie Schoeler unter dem Titel ‚Die Geschichte geht weiter‘ aufbereitet worden.

Hier draußen – 60 km vom Festland entfernt – scheinen die Katastrophen und das Geschrei der Welt weit weg zu sein. Die Basstölpel balzen schon miteinander

und setzen den Nachwuchs an.

Aber es reicht auch bis hier hin – auf die eine oder andere Weise –

und dieses kleine Idyll ist leider sehr vulnerabel.

Nachrichten im Februar

Still ist es auf dem Felsen in den Wochen zwischen Silvester und Fasching.

Mal kommt die Sonne für ein oder zwei Tage heraus –

mal sieht es so aus – zum Beispiel heute.

Im Unterland hat der Kamelienstrauch (es gibt nur einen) wie jedes Jahr viel zu früh seine Blüten ausgetrieben,

während auf der Promenade am Südstrand der Wind mit Flaggen und einem einsamen Wahlplakat spielt.

Ja – Wahlkampf findet auch auf der Insel statt, aber anders als auf dem Festland.

Aushänge, die größer als Din A4 sind, bedürfen der Genehmigung der Gemeinde. Und diese Genehmigung einzuholen, scheint bisher nur eine Partei geschafft zu haben.

In der Post finde ich noch Flyer der SPD – an einem öffentlichen Ort?

Auf dem Heimweg entdecke ich einen AfD-Aufkleber auf einem Fallrohr – und überlegte kurz ……

Nein, ich habe ihn nicht abgekratzt – es ist eben Wahlkampf.

Auf der Schulwiese kampieren unzählig viele Nilgänse, während man die großen Zweibeiner-Gäste an der Hand abzählen kann.

Fast alles hat geschlossen – nur dem ‚Fischluft‘ entströmt Fischduft.

Meine Kinder lernen das schwierige Wort février und freuen sich auf mars. Das spricht sich deutlich leichter.

Nachts glüh’n die Sterne …..