Besuch vom Festland

Tja – wenn Besuch vom Festland kommt, sieht das so aus –

man sitzt am Hafen und schaut zu, wie das Schiff langsam einläuft.

Es ist nicht wie in einem Bahnhof, in dem der Zug nach Ankündigung innerhalb von Sekunden einfährt.

Man wartet –

das Schiff muss ins Hafenbecken, dann an die richtige Kaje. Das Anlegen ist ein eigener Akt. Dann kommen zuerst die Frachtcontainer an Land, bevor die Gäste das Schiff verlassen dürfen.

Zwischendurch lugt man nach dem Besuch, versucht, ihn schon auszumachen – und da: Ja – da steht er, der Bruder mit einem Freund und winkt schon – und das Herz schlägt höher.

Aber noch dauert es, bis man die Liebsten in den Arm schließen kann. Der Weg über die Gangway verläuft geordnet, Mensch für Mensch.

Als mein Besuch kommt, ist es noch kalt.

Die Sonne findet nur mühsam den Weg durch den Dunst.

Noch am selben Nachmittag absolvieren wir den Besuch bei den kleineren Zweibeinern. Man ist beeindruckt – nicht allein von den Basstölpeln. Der Anblick der Langen Anna und der Felskanten ist aufregend. Wo gibt es so etwas sonst? Nur in der nördlichen Nordsee – Schottland – Norwegen. Darum kreisen die Gespräche. – Und dem Nazi-Projekt von großen U-Boot-Hafen – der Hummerschere – und all den Folgen, die es für die Insel hatte.

Zwei Tage später spazieren wir am Nord-Ost-Strand entlang. Auch hier findet man Reste und Folgen der Nazi-Herrschaft. Während wir den Jägerstieg hinuntersteigen, überlege ich, was der alte Mann im Fels wohl dazu zusagen hat.

Die Stützen der Rampe, die zur Mole Richtung Norden führten, existieren noch.

Genauso wie die Reste der Häuser, die später, als der Felsen englisches Übungs- und Sprenggelände war, auf dem Nord-Ost-Strand landeten.

Aber da lebte schon keiner mehr auf Helgoland. Die Bevölkerung war 19. April 1945 evakuiert worden.

Dennoch – ich frage mich immer, wer zwischen diesen Mauerresten gewohnt hat. wer über die Kacheln gegangen ist, deren Reste, plank poliert, noch immer am Strand angeschwemmt werden.

An einzelnen Ziegelsteinen sieht man die Brandspuren, die die Bombardements hinterlassen haben.

Am Museum liegt der Kopf eines weiteren Repräsentanten der dunklen Seite deutscher Geschichte -Carl Peters. Man hatte nach der Zerstörung Helgolands wenig Lust, an den Henker der deutschen kolonialen Ambitionen im heutigen Kenia, Tansania oder Burundi zu erinnern.

Carl Peters tat sich durch besondere Grausamkeit im strukturellen Grauen kolonialer Praktiken hervor und war damit Leitbild für die Graumkeiten , die später im heutigen Namibia durch deutsche Kolonialherren verübt wurden.

Abends sorgenvolles Gespräch über die Weltlage….

Und dann – dann beginnt mit goldenem Licht das Frühjahr auf dem Felsen.

Noch riecht es nicht danach.

Aber die Amseln draußen sind seit Tagen am Trällern und in windstillen Ecken macht die Sonne das Hirn ganz gaga.

Der Winter ist vorbei …

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Autor: frida

je n'existe pas...

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