Jeden Tag neu…

Während auf dem Festland nach Pfingsten eine Unwetterperiode begann, erlebte der Felsen den Anfang des Sommers. Satte 20° – das ist Ende Mai ungewöhnlich.

Doch inzwischen hat auch uns das mäßige Wetter eingeholt, wenn auch nicht in Form von vollgelaufenen Kellern oder überfluteten und unterspülten Straßen wie in Süddeutschland. Und im Gegensatz zum Festland gönnt einem die See doch ab und an Sonnenstrahlpausen, die mit dem Regen wieder versöhnen.

In diesem glücklichen Wechsel von Sonne, Wärme und mehr als ausreichend Nass sprießt und grünt es – Pfeilkresse übersät den Felsen mit einer weißen Matte. Wildkohl gibt Goldgelb dazu.

Der Weißdorn blühte

und gleich nach ihm die Heckenrosen.

Und draußen in den Basstölpelkolonien wird gebrütet – die ersten Kleinen sind schon da.

Späte Paare üben noch fleißig die Eierproduktion – das Wort ‚Vögeln‘ erhält da einen ganz neuen Klang 😉

Man bringt dem brütenden Partner ein Mitbringsel vom Ausflug mit –

und über allem herrscht reger Flugverkehr.

Von diesem Felsen aus gesehen erscheint das Geschehen auf dem Festland manchmal geradezu unwirklich, als finde es in einer Parallelwelt statt.

Doch nein – liebe Leute – auch wir haben hier unsere eigenen Probleme, die sich im Alltag von denen auf dem Festland kaum unterscheiden.

Auch den Menschen auf dem Felsen täte ein wenig mehr Zärtlichkeit für die Welt gut – bunt und hell.

Statements – Kunst auf der Fläche

Der Zustand der Welt verlangt manchmal Stellungnahme – und mich freut, wenn ich sehe, dass er – der Zustand der Welt – nicht unkommentiert hingenommen wird – egal, ob auf dem Felsen oder dem Festland.

Die Solidarität gegen den Ukrainekrieg war groß – aber auch gegen die Umdeutung von Grundrechten durch die AFD wurde und wird auf dem Felsen Stellung genommen.

In Heide fand ich eine Botschaft an einer kleinen Kneipe:

Aus einem Fachschaftsraum der TU in Darmstadt lugten alte Pappschilder:

Ich selbst trage keine Statements-T-schirts, aber das unterschreibe ich:

Das rührte mich besonders an –

Dieses Arrangement dagegen wirkt eher wie ein Abgesang der Liebe.

Großartiges Versprechen – aber -Hä – wo? Im Müllcontainer?

Neben dem Schwimmbad in Darmstadt fand ich ein Etwas, das nach oben strebte – fast mehr Luft- als Wasserwesen.

So leicht – so zu schweben – Grenzen

Blütenrausch

Als ich auf dem Festland ankam, hatte dort das Frühjahr schon begonnen.

Die Kirschblüte hatte die ersten Regengüsse überstanden.

Die Apfelblüten waren gerade aufgegangen.

Auf einer Wiese eine einsame Schlüsselblume – auf der Rosenhöhe ein Saum von verblühenden Tulpen – wie eine Spur, die Krolow hinterlässt.

Alles Zustand und zugleich Bewegung….

der erste Samstag im Frühling

Stadtimpressionen

Wenn man als Insulaner*in lange nicht auf dem Festland war, fühlen sich Städte an wie Bausteine, die ein großes Kind wild durcheinander geworfen hat.Große, kleine , bunte, graue – erst nach und nach sortiert sich wieder das Bild, das wir als ‚Stadt‘ gelesen gelernt haben.

Erstaunlich – wie viele Menschen in diesen Würfeln wohnen, erstaunlich – wie sie sich gegenseitig aushalten.

In D. bewege ich mich meistens zu Fuß fort – aber das Angebot an Mobilität hat sich enorm erweitert – und die Roller sind Leihrädern gewichen.

In der Mitte der Stadt lag einst der Kaufhof, eine echte Institution, denn in meiner Kindheit gab es dort gefühlt alles zu kaufen.

Heute wirkt das Benko-Opfer wie eine Anklage – an einen falschen Lebenstil, an verlorene Arbeitsplätze (auch andere Gebäude in der Stadt stehen leer) – ein Abgesang auf eine alte Welt und alte Vorstellungen.

Städte – das sind Menschen und ihre Geschichten. Heute ist man auf Georg Büchner stolz – sowohl in D. wie in G. findet man seinen Kopf – und feiert ihn als widerständigen Demokraten – zu Recht!

In Gießen findet sich auf dem Kanzleiberg – mitten in der Stadt – neben dem alten Schloss das Denkmal der politischen Köpfe.

– Büchner vereint mit Ludwig Börne, Carl Vogt und Wilhelm Liebknecht (dem Papa von Karl).

Man hat sie in ihren Zeiten verjagt und verfolgt. Ihre Köpfe ruhen so auf ihren Stelen, dass man ihnen direkt in die Augen sehen kann.

Was meint ihr Alten – so geehrt – zu unserer Welt?

Es ist schade –

so in Bronze gegossen und festgenagelt auf einen Augenblick können sie nicht antworten.

Sie brauchen auch heute Weite für ihr Herz und Wolkenschiffe für ihre Gedanken – In dieser Zeit….

Basstölpel

Seit meinem letzten Besuch Anfang des Monats hat sich die Community gesettelt, aber nicht nennenswert vergrößert.

Sie haben ihre Nester gefunden und polstern sie jetzt aus.

Sie lieben sich oder zetern miteinander.

Zärtlich werden die Federn geputzt

oder mit den Schnäbeln geklappert.

Dazwischen Ausflüge aufs Wasser, Mitbringsel für den Nestwächter.

Obwohl die Kolleg*innen von Jordsand die Bruthügel fein säuberlich vonallem Plastik geräumt hatten, gefällt den Vögeln das bunte Bling-Bling.

Da sind sie wie wir – auch wenn sie nicht lesen und schreiben können, kein Auto fahren oder Handys nutzen.

Einzig eine Fähigkeit haben sie uns voraus – sie können sich aus eigener Kraft in den Himmel erheben und segeln. –

Was ist der Mensch?

Das Leben ist jetzt

Die ersten Märztage sind Balsam auf Haut und Seele. Seit Monaten kommt die Sonne zum ersten Mal länger als zwei Stunden durch.

Die Schnucken brauchen allerdings noch dringend den dicken Pulli, denn der Wind bleibt kalt.

Es wird Zeit, dass die Saison wieder beginnt. Der Pegel der Tratschereien nimmt auf dem Felsen wieder zu – ein untrügerisches Zeichen, dass die Insulaner beginnen sich zu langweilen.

Draußen auf den Vogelfelsen sind die Lummen angkommen.

‚Das Leben ist jetzt‘ – sei das Motto der Boomer – so hörte ich es in einem Beitrag auf Deutschlandfunk nova, Krisenbewältigung die DNA dieser Generation. Deshalb seien sie so pragmatische und fröhliche Hedonisten. Aus ihrer Konsilianz erwachse manchmal ein Haltungsproblem. Aber Probleme im Hier und Jetzt zu lösen, sei ihre Kernkompetenz.

Ja – das Leben ist jetzt- und die Basstölpelpaare bauen fleißig ihre Nester. ;-)))

Drive the cold winter away

Der alte Herr Winter

Herrje – seit ich auf Helgoland lebe, habe ich hier noch keinen so grauen Winter erlebt.

Manchmal trieft die Luft vor Nässe – Regen im eigentlichen Sinne ist das nicht.

Aber würdest du ein Tuch in die Luft hängen, du könntest es binnen kurzem auswringen wie einen nassen Feudel.

Aber er – der Herr Winter – wird schon langsam alt. Er kann sich nicht mehr wehren gegen die länger werdenden Tage, die Krokusse, die hier und da schon blühen

oder ganz kecke Osterglocken, die sich in stillen Ecken hervortrauen.

Und die fliegenden Frühlingsboten sind da.

Auf allen drei Vogelfelsen haben sie sich niedergelassen und streiten wie die großen Helgoländer Zweibeiner um ihren Platz.

Und segeln wie junge Götter durch die Luft, die noch lange kalt sein wird.

Du langer Winter ….

Nie wieder ist Jetzt

Heute fand auch auf Helgoland eine Kundgebung gegen Rechts statt. Endlich!

Ca. 200 Menschen, das sind ca. ein Siebtel der Helgoländer Bevölkerung, nahmen an der Kundgebung teil.

Warum das am Ende der Welt wichtig ist?

Tja – auf dem Felsen leben Menschen aus ca. dreißig Nationen. Sie stellen etwa 30 % der Helgoländer Bevölkerung. Ohne sie wäre der Tourismus auf Helgoland längst zusammengebrochen. Ohne sie gäbe es keine Schule , keinen Kindergarten auf Helgoland.

Helgoland wäre ohne Einwanderer eine Art Disneyland der Nordsee, bewohnt von ein paar uneinsichtigen Alten und dem nötigen Servicepersonal, das die Gäste im Sommer bespaßt und bedient. Denn Familien könnten hier nicht mehr leben.

Das sind die nackten Fakten. Darüber hinaus?

Vor knapp 90 Jahren gab es das schon einmal – eine Demokratie schaffte sich über demokratische Wahlen selbst ab, überließ der aufgestiegenen Partei, der NSDAP, die Regierungsverantwortung und ließ geschehen, dass der jüdische Teil der Bevölkerung, politisch Andersdenkende, Sinti oder Roma, queere oder einem radikalen Pazifismus verpflichtete Menschen deportiert, zu Zwangsarbeit gezwungen und später ermordet wurden.

Und wir die Nachfahren, der Generation, die diese Massenmorde zugelassen hat, sich daran beteiligte oder auch nur verstrickt wurde, wir haben tatsächlich die Verantwortung, dass nie wieder Menschen ausgegrenzt, deportiert und ermordet werden.

Deshalb ist NIE WIEDER jetzt und heute – Sagt Nein!

Exoten im Schnee

Kaum war mein Besuch nach Hause gefahren, begann es zu schneien.

Dicke, fette Flocken zunächst –

die nach und nach die Gräber am Friedhof bedeckten.

Die Exoten im Garten bekamen ein neues Kleid –

morgens knirschte der Schnee leicht unter den Sohlen –

und der Leuchtturm schickt unbeirrt sein Licht in die Welt.

Was wird das Jahr bringen? –

Ein gutes Zeichen haben in den letzten Tagen viele Menschen gesetzt:

ein Nein zu Unmenschlichkeit und Ausgrenzung!

Wird es ein Ja zu Aushandeln und Frieden und Verantwortung für die Welt, die uns nährt?

Eine Freundin schickte mir zum Jahresanfang ein Zitat von Antonio Gramsci:

„Man muss nüchterne, geduldige Menschen schaffen, die nicht verzweifeln angesichts der schlimmsten Schrecken und sich nicht an jeder Dummheit begeistern.

Was wir brauchen ist Nüchternheit:

einen Pessimismus des Verstandes, einen Optimismus des Willens.“

Sicher ist nur – die Tage werden länger….