Zwischen den Jahren…..

meistens waren die Tage verhangen. Wind und Wetter luden nicht gerade zu langen Ausflügen ein. Aber dann riss der Himmel auf……

DER Tag für einen Familienausflug auf die Düne.

Schwesterchen und ich sitzen natürlich draußen – kaum hat die Witte Kliff den Hafen verlassen, tanzt sie auf den Wellen.

Man merkt noch die Nachwirkungen der letzten stürmischen Tage.

Im Winter ist die Düne das homeland der Kegelrobben.

Die Strandkörbe sind im Lager eingemottet und träumen von einem neuen Sommer.

Wir Zweibeiner gehen brav auf den vorgefertigten Wegen, steigen nicht über Zäune hinunter zum Nordstrand.

Denn dort – und nicht nur dort – haben sich die Kegelrobben mit ihren Jungen verteilt.

Man findet sie überall – auf dem Flugfeld, neben den Menschenwegen, unter dem Steg über den Dünen.

Leider können die Tiere nicht lesen – naja, manche Touris auch nicht – und halten nicht den empfohlenen Abstand von 30 m zu uns Zweibeinern ein.

Also machen wir den Bogen um sie herum, wenn sie ihr Baby neben unserem Weg säugen. Nun ja, das ist bei uns Zweibeinern nicht anders – der Hunger der Babys geht vor.

Eine kleine Übung in Respekt vor den Wesen, die neben uns leben.

Am Friedhof der Namenlosen halten wir inne.

Die Rock’n’Roll-Butter-Fahrer haben wieder von einem Freund Abschied genommen.

Ich denke an T., mit dem ich oft hier gestanden habe.

Rooat weeder

Wenn Wind , Wasser und Kälte dem Felsen zusetzen, färbt sich das Wasser am Nordstrand rot.

Die aufgepeitschte See zerreibt den sandstein so fein, dass er Farbe wird.

Das Wasser hat den Spülsaum weit nach oben versetzt.

Statt Strandglas und feinem Kiesel findet man jetzt nur Laminaria.

Und manchmal verirrt sich eine Kegelrobbe hierher.

Einer fehlt bei den Spaziergängen…

Weihnachten zuhause

Dieses Jahr floh ich nicht vom Felsen, sondern erwartete Besuch – ein wahrer Krimi.

Ein Sturm wurde erwartet und alle, die aufs Festland wollten, nahmen schon am 19. das Schiff. Denn keiner glaubte, dass das letzte Schiff am 23. noch fahren sollte.

Ich saß auf heißen Kohlen und wartete auf meine Lieben…….

und sie kamen doch – ein wenig grau und müde vom Schiffschaukeln – whow!

Eine intensive, gemeinsame Zeit begann …..

die dunkelsten Tage des Jahres auf dem Felsen…..

in langen Spaziergängen….

Wir fanden den inspirierendsten Weihnachtsbaum der Insel….

und sperrten Sturm und Regen aus …

Chrismas at sea…

Schnee

Naja – manchmal schneit’s auch auf Helgoland – meistens nicht nachhaltig.

Dieses Jahr nun doch – es fiel genug, damit auf dem Schulhof Schneeballschlachten stattfinden konnten. Unterricht war nicht mehr möglich, denn manche schauten verzaubert hinaus in dicke Flocken, die herabsegelten, anstatt sich den Finessen des deutschen Satzbaus zu widmen.

Es war nur ein kurzer Zauber – Mitte des Monats.

Und bevor dann alle nacheinander krank wurden, hatten die Kinder noch schnell ihre Schlitten aus dem Keller geholt und waren auf der halb verdeckten Grasnarbe einmal die Krater hinuntergerutscht.

Die Palme trug ein Spitzenhäubchen

es war kurz vor dem dritten Advent.

and a small tribute to Shane McGowan

Regenbogen

Kaum war es noch Oktober – da naht schon der erste Advent. Der November verging im Flug – angefüllt mit allem, was mein bürgerliches Leben ausmacht: Konferenzen und Klassenarbeiten, Eltern- und Schülergespräche, Termine zum Vernetzen, Termine für das Anschieben von Projekten….

Derweil fiel die Insel in den Winterschlaf – die Bürgersteige wurden hochgeklappt, Eisdielen mit Packpapier versiegelt

und das Gestühl platzsparend verwahrt

(Helgoländer Keller sind klein und meistens vollgestellt oder vermietet): Betriebsferien.

Wenn es nicht gerade stürmte, kurze Tage mit ……..

ja – Regenbögen, manchmal gleich doppelt.

Am Ende des Regenbogens soll man Schätze heben können – welchen nimmt man da nun – und an welchem Ende soll man suchen?

Der Regenbogen – heißt es im Alten Testament – sei das Zeichen für den Bund zwischen den Lebewesen der Erde und Gott.

Aber ich fürchte, wir haben diesen Bund unsererseits bisher schlecht erfüllt. Und wäre es wirklich ein Vertrag gewesen, den Noah nach den alten Schriften mit Gott geschlossen hätte, dann – ja dann hätten wir jetzt Vertragsbruchszahlungen über Jahrtausende zu berappen.

Ich hoffe auf Güte des transpersonalen Seins, darauf ,dass es nicht ist wie wir Menschen: niederträchtig, gierig, gemein und hasserfüllt. Und dass es manchmal ein Licht anzündet, das uns an Großzügigkeit, Klugheit und Liebe erinnert.

Namasté

Festlandfundsachen

C. – kleiner Helgoländer mit langem Stammbaum auf der Insel – ist ein großer Finder. Bevorzugt an den Stränden der Welt – am liebsten aber hier auf dem Felsen. C. beobachtet aufmerksam im Unterricht – und so untersucht er auch den Strand – und findet Dinge, die andere übersehen. Das letzte Fundstück ist eine Patrone aus dem Weltkrieg – 9mm – haben wir herausgefunden. Die Hülse ist offen, angerostet. Aus welcher und wessen Waffe mag sie gekommen sein? Hat sie ihr Ziel erreicht? – Wir hoffen beide -nicht.

Die Patrone wird ihren Platz in Cs Fundsachenvitrine finden – neben versteinerten Seeigeln und rätselhaften Henkeln.

Uns verbindet das Finden von kleinen Dingen, die wir nach Hause schleppen. Doch während Cs. Patrone in seiner Vitrine neben versteinerten Seeigeln und rätselhaften Henkeln einen Platz findet, landen meine Funde auf Schreibtisch, auf Esstisch, auf Fensterbänken oder auf Fotografien.

Manche Funde sind wie Begegnungen, alte Bekannte aus einer früheren Zeit, die sich noch einmal melden, bevor sie irgendwo endgültig verschwinden.

Diesen Pulli hatte ich einmal für ein Baby gestrickt. Inzwischen ist aus dem Baby eine junge Frau geworden, die in ihrem eigenen Leben steht. Und ich begegne noch einmal kurz dem Baby und mir – winke innerlich beiden zu – und erfreue mich an der tollen Erwachsenen.

Über dieses kleine Plakat, das zu Füßen einer Werbewand zwischen Landesmuseum und Mollerbau in D. lag, stolperte ich fast. Ich hob es auf – und, da es so aufwändig gestaltet war, klebte ich es wieder an. Zu schade, um es einfach liegen zu lassen.

Wer es wohl geschrieben hat? Warum? –

Ich könnte jetzt lange ausholen, über ‚Leistungsgesellschaft‘ als eine der Mythen des Kapitalismus erzählen, über protestantische Leistungsmoral und die jahrhundertelange langsame Zurichtung der menschlichen Seelen auf die Bedingungen eines seelenlosen Arbeitstaktes referieren. Nein – das ist nicht nötig. Denn ohne all dies studiert zu haben, hat der/die Künstler*in in der Frage alles zusammengefasst. (Und wer dies doch ausführlich wissen möchte, den verweise ich auf die Dokumentationen der arte-Mediathek. – ;-))

Fast wie als Antwort zeigte mir eine alte Freundin bei meinem Besuch ein altes Werk von Enzensberger über den spanischen Anarchisten Durruti.

Ein Leben des Aufbäumens gegen eine ungerechte Welt. Ein tragisches Ende im Spanischen Bürgerkrieg. Der Film beginnt mit der Aura des Gesetzlosen, die durch Zeitgenossen noch einmal beschworen wird. Doch endet er im Unvermögen von Anarchisten und Kommunisten, sich gemeinsam gegen die Faschisten zusammenzuschließen. Das Ergebnis kennen wir …

Turn the world around….

Festlandherbst

Hier auf dem Felsen hatte der Herbst Anfang Oktober schon Einzug gehalten. Die ersten Herbststürme hatten die trockenen Blätter von den Ästen gefegt.

Die Saison neigte sich merklich dem Ende zu – ein letzter Schwung an Vogelkundlern überschemmte die Insel auf der Suche nach dem exorbitant seltensten kleinsten Zugvogel der Welt.

Und ja – an hellen Abenden – ohne Sturmpfeifen – konnte man ihren Schwarmtanz am Himmel sehen.

Ein letztes Kreuzfahrtmonster hatte vor Helgoland angelegt und seine Ladung auf das Land ergossen.

Zeit zur Abfahrt aufs Festland, um einige Leute zu sehen, die mir am Herzen liegen.

Auf dem Festland in D. noch keine Spur von Herbst – es fühlte sich an wie ein Urlaub in Italien – milde Luft, sommerwarme Sonnenstellen.

Nur das Licht und die kürzer werdenden Tage passten nicht zu diesem Eindruck.

Einige Bäume gaben sich aber schon redlich Mühe, bunt zu werden und feuerten ihr Rot und GElb in den beginnenden Abend hinein.

Die Bewohner im Kiez meines Bruders sind noch in Spätsommerstimmung. Auf dem zentralen Platz findet ein kleines Konzert statt. Eine junge Band spielt auf.

Am Wochenende spontaner Ausflug auf den Heiligenberg, einem Aussichtspunkt in der vordersten Reihe des Odenwalds. Hier war ich als Kind zum Spielen, als Teenager zum Feiern.

Die Reste des Klosters, das sich dort oben befand, machte ich zu Kulissen selbst erdachter Geschichten.

Heute betrachte ich den Horizont, die ersten Höhenkette der Pfalz. Die Windmühlen wirken so nah, als könnte man sie vom Bild greifen.

Es ist einer der seltenen Tage ohne Dunstglocke über der Rheinsenke.

Das letzte Mal, als wir hier waren, war noch T. dabei …..

Ihm scheine, sagt mein Bruder an diesem Tag, es gehöre zu den Aufgaben des Altwerdens, das Gehen der Nächsten zu ertragen.

Wenn..

Sturmtief

An diesem Tag erwache ich morgens und denke, irgendetwas ist falsch. Dann dringt langsam in mein Bewusstsein, dass wir eine kurze Atempause haben – Feiertag.

Regen und Sonne wechseln sich ab. ‚Noah‘ heißt der Bösewicht, der dafür sorgt, dass die Kats nicht fahren und das Schiff heute früher losgeht.

Draußen fegt ’starker Wind‘ über den Felsen – Beaufort 6. Das heißt, er hat eine Stundengeschwindigkeit von ca. 49 km.

Naja, denke ich, als ich draußen bin, so schlimm ist das nicht. Aber ich gehe auf der Ostseite – also im Windschatten.

Die Sonne scheint – am Himmel Krawall – die See kappelig mit weißen Schaumkronen über dem ‚Kälberdanz‘, der Untiefe, wo einst die Verbindung zwischen Hauptinsel und Düne bestand.

Der Wind zieht Strähnen aus meinem Zopf. Er heult in meinen Ohren. Manchmal drückt er gegen mich. Ich denke nach, wie sich Wind auf eine Fläche fangen lässt. Doch nein, er ist ein Gesamtkunstwerk und will mit allen Sinnen aufgenommen werden.

An der Nordspitze schieben sich dunkle Wolken Richtung Felsen.

Stück für Stück rückt ein schweres Regenpaket Richtung Felsen. Dann tropft es schwer und dicht. Der Wind brist auf – Zeit weiterzugehen.

Im Nu glänzt der Weg nass –

Und jetzt – auf der Westseite – drückt der Wind mich mal zur Seite, mal schiebt er im Rücken nach vorne. Er spielt auf den Drähten des Klippenzaunes ein Lied.

Stehen bleiben kann ich nur kurz, denn es kostet mehr Kraft als sich weiter Richtung Dorf treiben zu lassen.

Heute plane ich meine Reise aufs Festland. Ja – drei Wochen Ferien stehen bald bevor. Doch kein Grund zum Neid – ich habe an vier von fünf Wochenenden durchgearbeitet.

Der Klimawandel macht sich auch hier bemerkbar. Das Wetter wird schwerer kalkulierbar – schlecht für Reiseplanungen. Und – in Cuxhaven hat man einen wichtigen Zug nach Süden gestrichen – den Zug, der es möglich machte, im Winter noch um Mitternacht in Südhessen anzukommen – :////

Der Regenbogen ist ein kleiner Trost –

If the wind blew me away…

Langeschattenzeit

Vor 14 Tagen zog der erste gewaltige Herbststurm über den Felsen.

Danach begann die Zeit der langen Schatten.

Sonnen-

und Regenzeiten wechselten rasch.

Die Spatzen badeten in meiner Karre.

Die Luft war noch sommerlich lau.

und der Wind an der Nordspitze draußen blies noch milde aus Westen.

Die Basstölpel haben die Insel verlassen und sind mit ihren Jungvögeln in den Nordatlantik zurückgekehrt.

Die Bäume tragen Glatzen. Im Sommer warfen sie die vertrockneten Blätter ab. der Rest wird sich wohl nicht mehr verfärben.

Im James-Krüss-Laden erinnert ein alter Apparat an die Zeiten, als James Krüss der gute Fernsehonkel mit Kater Mikesch war.

Und dort – weit hinter dem Horizont liegt England.

Wohin wird der Wind uns treiben ….

Mittelalter im Mittelland

Dort, wo big bäng einen Riesenkrater hinterlassen hat und heute Hunde Freilauffläche haben, fand der erste Mittelaltermarkt auf Helgoland statt.

Äh – Mittelalter, das darf man sich auf Helgoland nicht wirklich lustig und bunt vorstellen. Es gibt hier kein Grundwasser. Also fingen die Leute Wasser in Regenfässer auf. Es führte keine bequeme Treppe nach oben auf den Felsen, von einem Aufzug keine Rede. Es dürfte also beschwerlich gewesen sein, sein Geraffel nach oben in eine sichere Kate zu bringen, denn unten war der Hafen unbefestigt und damit jeglichen Stürmen ausgeliefert.

Die Verbindung zur Düne bestand noch, insgesamt war die Insel etwa viermal größer als heute. Die großen Sturmfluten im 14. und 18. Jahrhundert haben ordentlich ‚gefressen‘ und dem Felsen annähernd die heutige Form gegeben.

Im Mittelalter war der Felsen ein unbedeutender Klecks in der Nordsee, der zu Dänemark gehörte. Aber die Dänen interessierten sich für diesen Flecken erst, als im 15. Jahrhundet bei Helgoland große Heringsvorkommen auftraten.

Also – raue Lebensbedingungen …

Doch unsere Vorstellung von Mittelalter wird heute ohnehin eher von Tolkien und anderen Fantasy-Autoren geprägt, als dass sie historisch genau wäre.

Und so zieht während des Mittelalterwochenendes eine bunte, wild geschminkte Truppe durch die Stadt, um die Leute auf den Markt im Mittelland zu rufen. Lauter Volk darstellend, das außerhalb der mittelalterlichen Ständegesellschaft stand – Kräuterweiblein, Gaukler, Barden und lauter ziehendes Volk…..

So klein der Markt auch ist, gibt es doch alles, was einen Mittelaltermarkt auszeichnet:

Handwerk

und Geschmeide,

Räucherkräuter und Lebensberatung,

Holzschwerter und Schilde,

rustikal Gebackenes und

der unvermeidliche Met,

den Barden mit wilden Saufliedern und Schwertkampf

und Feuerspracht am Abend.

Am Montag frage ich meine Kinder:“Wie viel Mittelalter steckt denn in einem Mittelaltermarkt?“ –

Die Kinder:“Gab es schon Dixieklos? Wo haben die eigentlich hingemacht?“

Gekicher – als die Wahrheit herauskommt.

Hier der Mittelaltersound dazu …