Krawall von oben

Nachts und morgens zog Sturm Nikolaus über den Felsen, peitschte die Palme gegen die alte Sat-Schüssel, zog heulend und jaulend durch die Gassen. ließ auf dem Pflaster kleine Wassertulpen entstehen, die so schnell zerfielen, wie sie entstanden waren.

Ab Mittag klart es auf – aber weiter zerrt der Wind an Dächern, Häusern, jagt über den Felsen.

Heute ist kein Schiff gekommen, der Hafen leer.

Auf der Ostseite wirkt die Inselwelt fast still, wären da nicht die Schaumkronen auf der Wasserfläche.

Klar, denke ich, das Wetter kommt von Westen. Und kaum biege ich in diese Richtung, braust es auf, wird jeder Schritt langsamer. So schwer kann Luft sein.

Draußen an der langen Anna kaum Gäste, ungewöhnlich für einen Sonntagnachmittag im Sommer.

Doch einer fotografiert lange – und stemmt sich dabei gegen den Sturm.

Die Basstölpel tanzen in der Drift.

Sie brauchen sich nicht – wie sonst – von der Klippe zu stürzen. Die Flügel breit gemacht – und schon steht man in der Luft –

möchte ich auch können, denke ich ein wenig neidisch. Mich fortheben, entheben …

Immer noch denke ich manchmal, wie hätte mein Leben mit T. hier weiter gehen können, obwohl der Entwurf immer unwahrscheinlicher wird.

Diese Welt ohne ihn ist nicht schön schön. Sie ist für sich dieselbe alte Erde, die sich dreht und durch das Weltall düst.

Noch immer sind die Menschen die, die sie sind, verbohrt, verblendet, großartig, verrückt, Verzweifelte, Liebende.

Und doch: Es fehlt ein wenig Glanz, Ts. Glanz, den er als Mensch dazu gegeben hat.

Across waters…

Inselsommer

Der Inselsommer bringt allerlei große und kleine Ereignisse mit sich, die vor allen Dingen die Kurgäste bespaßen – Open-Air-Kino und Theater, Straßenfeste und Konzerte, Trachtentanz und Shantychor.

Ein alljährliches Ereignis ist nicht dem Tourismusbetrieb gewidmet, sondern den Schulen in Schleswig-Holstein – der Schüler-Staffel-Marathon. Zum diesjährigen Marathon starteten immerhin 50 Mannschaften (auch die alte Grundschule meiner Nichten) – jeweils mit 6 Schüler*innen, einem Elternteil und einem/r Lehrer*in.

Zuvor musste die Schule ausgeräumt werden, damit die Mannschaften eine Unterkunft hatten. Die Nordseehalle wird zur Mensa und ebenfalls Schlafsaal.

Es herrscht Waschküchenwetter an diesem Morgen. Die Sonne ist kaum zu erahnen. Trotzdem fühlt sich die Luft wie in einem Dampfbad an. Doch raußen an der Langen Anna wird es kühler sein.

Auch wenn ich kein Fan solcher Läufe bin, beeindruckend ist es trotzdem. Immerhin laufen die Mannschaften insgesamt 42 km zusammen und bewältigen zwischendurch eine Steigung von 40% – Respekt.

Dort, wo sonst Gäste auf die Inselbahn oder die Witte Kliff warten, sind Sporttaschen gestapelt und bereiten sich Läufer*innen auf ihren Start vor.

Wer gewonnen hat? – Nicht die beiden Helgoländer Mannschaften, für sie ist das Mitlaufen wichtig – auch wenn man die letzte Läuferin stellt – 😉

Und hier weiter zum Bericht von Paul Wessels – einem ehemaligen Inselkind

Barfußzeit

Die langen Tage haben begonnen –

nachts, wenn ich ins Bett gehe, sieht der Himmel im Norden so aus –

morgens gegen halb vier singen die Amseln des Friedhofes den Tag an –

und zwischendurch – Postkarte.

Das älteste Lebewesen der Insel – der Maulbeerbaum

– blüht wie eh und je. 150 Jahre, sagt die Inselchronik, sei er alt und habe vor dem alten Pastorhaus die jungen Leute ‚beschirmt‘, die sich ohne Formalitäten zusammen taten. Aus dem alten verkohlten Stumpf habe er sich nach dem Big Bäng 1947 wieder herausgearbeitet.

Wie viel an Leid hat er gesehen – was würde er erzählen, wenn wir die Sprache seiner Blätter verständen?

Am Südstrand Sommeridylle mit Promenade und Hotelcafés –

ein Schläfchen in der Mittagswärme –

und Helgoländer Humor –

Am Vogelfelsen draußen rufen die großen Lummen die kleinen ins Wasser hinunter. – ,wenn sie es noch schaffen, denn auch dieses Jahr ist die Vogelgrippe wieder auf dem Felsen angekommen – und wütet diesmal eher unter den Lummen. Am Rand der Klippe stehen große Zweibeiner – wartend auf den Sprung der jungen Lummen.

In der Basstölpelkolonie hört man das Fiepen der kleinen Dinos, die unter Papas oder Mamas Brust sitzen.

Ein Flieger zieht eine Spur nach Norden.

Sonnenzeit …

Unsere Trachy

Touristengespräche unter meinem Fenster:

„Ohh – eine Palme!!!!“ – „Na – die hat schon bessere Tage gesehen“.

Ja – hat sie sicherlich, seit sie 2004 im Rahmen eines Siedlungsprojektes für exotische Pflanzen in den Garten meines Nachbarn fand.

Einige ihrer Artgenossen – und auch andere Exoten – überstanden die ersten Jahre nicht. Aber diese schon – und sie ist inzwischen fast haushoch.

Tapfer wehrt sie sich in den Winterstürmen gegen den harten Nordwind.

einen einseitigen Kahlschnitt durch rabiate Fernsehgucker hat sie auch überstanden.

Im Sommer ist sie regelmäßig Heimat von Finken.

Die Finken lieben sie, weil sie feine Fasern produziert, die sich zum Polstern der Nester eignen.

Manchmal möche ich sagen: „Ja,ja – und guckt mal meine kleine Eiche.“

Sie ist die einzige auf Helgoland.

Wenn der Sommer nicht mehr weit ist….

Kommt der Frühling wieder….

Diesmal kein Urlaub, sondern arbeiten am außerschulischen Lernort –

Als wir aufbrachen, fuhren auch die Rock’n’Roll-Butterfahrer zurück – auf der ‚Lady‘ herrschte Nachpartystimmung – eine kleine Box dudelte einen Song nach dem anderen, während man draußen die Konzerte auswertete, sich verabschiedete und sich auf das nächste Jahr freute.

Für uns begannen 14 Tage Werkstatttage. Unsere Schüler*innen versuchten sich in ausgewählten Berufsfeldern, sägten und bauten, schweißten und leimten, massierten und gipsten.

Wir begleiteten sie zur Arbeit, werteten gemeinsam aus, besprachen gemachte Erfahrungen, planten die Nachmittage und Abende.

Wir wohnten in einer ehemaligen Kaserne, heute ein Gelände ,das diversen Gewerben und einem Motel Raum gibt. Nur die Art der Gebäuderiegel und ein überwuchertes Namensschild erinnerten noch daran, dass hier einmal ABC-Einheiten gedrillt wurden –

gelungene Konversion, das sich kleinere Zweibeiner sofort als Beispiel nahmen ;-))

Zwischen Begleiten zum Arbeitsplatz und Betreuen in der Freizeit blieb ein wenig Zeit, um sich in Albersdorf umzuschauen.

Albersdorf liegt in lieblicher Geestlandschaft. Die letzten Gletscher der Eiszeit hatten hier ihren Müll an Kleingemergeltem und Findlingen zurückgelassen.

Zwischen kleinen Hügeln und Senken schlängeln sich Bäche, sammeln sich in Teichen, werden von kleinen Wäldchen gesäumt. Die Knicks zwischen den Feldern erinnern daran, dass die Witterung nicht immer so mild wie jetzt ist.

In Albersdorf befindet sich außerdem der Steinzeitpark.

Wer sich für den Beginn der menschlichen Zivilisation interessiert, findet hier sssehr gut präsentierte Fundstücke, reichlich Information zum Handwerk des Archäologen – und viele Angebote, selbst als Mensch in der Steinzeit tätig zu werden – sei es beim Getreidemahlen, Bogen schießen, dem Rudern eines Einbaums oder der Herstellung von Pfeilspitzen.

Als wir fuhren, hatte der Frühling begonnen

und auf dem Felsen blühen die Apfelbäume.

…kommt der Frühling, bringt das neue Licht …

Sonntag im Idyll

Den Himmel trübt kein Wölkchen und die See ist spiegelglatt.

Gäste aller Art sind auf dem Felsen draußen unterwegs – Familien, Rentner, der Kantor, der mir aus dem Aufbau Helgolands erzählt.

Auch ein paar Butterfahrer lüften sich hier oben aus.

Es ist Sonntag – doch einige arbeiten –

z..B. die Jungwissenschaftler auf dem Weg ins Felsenwatt

oder Vogelkundler

oder die Basstölpel, die jetzt am Brüten sind.

Die Kolonie ist kleiner als im letzten Jahr. Alle drei großen Siedlungsplätze sind nur etwa zur Hälfte bewohnt.

Morgen fahre ich für 14 Tage aufs Festland – …. mit ein paar Teenagern im Gepäck ;-)) … across waters

Sie ist wieder da

Drei magere Jahre mussten die Fans der Rock’n’Roll-Butterfahrt warten.

Es ist das kleinste deutsche Festival am Ende der Welt.

2003 begann das Festival mit gerade mal 80 Freunden des Punkrocks. Heutzutage kommen annähernd 900 Besucher, um auf der Düne zu feiern.

Sie fallen schon auf – die Fans. Zwischen dem Beige bis Anthrazit ambitionierter Naturfreunde, dem gepflegten Chic von Hamburger Penisonären oder dem körperbetonten Sportdress der Marathonläufer wirken die Butterfahrer wie wilde Gesellen.

Die Party steigt nicht allein auf der Düne am Abend. Den ganzen Tag sitzt man zusammen.

Die gesamte Südstrandmeile ist passend dekoriert.

Für ein Wochenende haben die Punks den Felsen übernommen.

Am Friedhof der Namenlosen auf der Düne befindet sich eine Stele

sie erinnert an die vergangenen Leben, die verlorenen Freunde –

Trotz bunter Haare, schwarzer Klamotten und gepiercten Augenbrauen – sie sind die weitaus achtsamsten Gäste auf Helgoland.

A moment of silence …. after the party

Ich hänge hier nur so rum

Festlandsbesuche sind Gelegenheiten zu sehen –

manchmal isoliert, manchmal in einen neuen Kontext gestellt

oder so…..

in einem Freiluftcafé an der Kemnade –

oder hoch oben –

an der Wand des Pen-Zentrums

oder als Rest eines studentischen Projekts –

vor dem Knast, in dem die beiden einst einsaßen (Stopp: Georg war schnell weitergereist. Sein Bruder Ludwig gab sich an seiner Stelle als Georg Büchner aus. Als die Darmstädter Polizeibehörde auf die Verwechslung kam, war Georg bereits in Straßburg angekommen). Der andere ist Ludwig Weidig, der zweite Autor des Hessischen Landboten.

oder im Schaufenster eines stylischen Design-Ladens

Der Tag…..

Rendezvous in Steinau

Alors – ich könnte anfangen -„rencontre avec J….“ – ;-)) – non!

So war es nicht – die Jungs, die wir besuchten, sind zu alt –

und inzwischen unterwegs in einer anderen Dimension. Da muss die Liebe eher platonisch bleiben.

Romantisch ist es trotzdem –

die Kinderheimat von Jakob und Wilhelm Grimm ist heute ein kleines verschlafenes Fachwerkstädtchen. Die Hauptzeile hat man in einer Viertelstunde durchlaufen, wenn man es eilig hat und der alten Handelstraße folgt.

Das Haus selbst – eher ein Hof –

steht an eben jener alten Straße in der Nähe des alten Tores nach Hanau, grenzt an die Kinzig – da noch eher Bach als Fluss.

Alles an diesem Städtchen ist jetzt ein ‚eher‘ ;-). Kaum vorzustellen, dass sich hier einmal ein recht florierender Handelsknotenpunkt befand.

Der Amtshof –

heute das Brüder Grimm-Haus – empfängt seine Besucher mit drei Abteilungen: Eine zeichnet das Leben der Familie Grimm nach. Und hier findet sich auch eine kleine Hommage an Ludwig Grimm, einem begabten Illustrator, sowie der beiden anderen Geschwister.

Ein Zweite dokumentiert das sprachwissenschaftliche Vermächtnis.

Die dritte Abteilung ist eine liebevolle Dokumentation und Sammlung der verschiedensten Ausgaben der Grimmschen Märchensammlung.

Schade – zwei Sammlungen fehlen: die Ausgabe mit den Aquarellen von Ruth Koser-Michaels und das Mammutwerk mit den Bildern von Henrik Schrat.

Jakob und Wilhelm verbrachten hier nur sechs Jahre ihres Lebens. Nach dem Tod des Vaters wurde n sie von der Verwandschaft nach Kassel geholt – der Beginn ihres Weges als Wissenschaftler und engagierte politische Köpfe.

Das kleine Haus in Steinau verzichtet auf die Nachzeichnung der weiteren Lebenswege. Macht nichts- es setzt einen gelungenen Anfang.

Eine weitere schöne Mär … Das Cello