Festlandherbst

Hier auf dem Felsen hatte der Herbst Anfang Oktober schon Einzug gehalten. Die ersten Herbststürme hatten die trockenen Blätter von den Ästen gefegt.

Die Saison neigte sich merklich dem Ende zu – ein letzter Schwung an Vogelkundlern überschemmte die Insel auf der Suche nach dem exorbitant seltensten kleinsten Zugvogel der Welt.

Und ja – an hellen Abenden – ohne Sturmpfeifen – konnte man ihren Schwarmtanz am Himmel sehen.

Ein letztes Kreuzfahrtmonster hatte vor Helgoland angelegt und seine Ladung auf das Land ergossen.

Zeit zur Abfahrt aufs Festland, um einige Leute zu sehen, die mir am Herzen liegen.

Auf dem Festland in D. noch keine Spur von Herbst – es fühlte sich an wie ein Urlaub in Italien – milde Luft, sommerwarme Sonnenstellen.

Nur das Licht und die kürzer werdenden Tage passten nicht zu diesem Eindruck.

Einige Bäume gaben sich aber schon redlich Mühe, bunt zu werden und feuerten ihr Rot und GElb in den beginnenden Abend hinein.

Die Bewohner im Kiez meines Bruders sind noch in Spätsommerstimmung. Auf dem zentralen Platz findet ein kleines Konzert statt. Eine junge Band spielt auf.

Am Wochenende spontaner Ausflug auf den Heiligenberg, einem Aussichtspunkt in der vordersten Reihe des Odenwalds. Hier war ich als Kind zum Spielen, als Teenager zum Feiern.

Die Reste des Klosters, das sich dort oben befand, machte ich zu Kulissen selbst erdachter Geschichten.

Heute betrachte ich den Horizont, die ersten Höhenkette der Pfalz. Die Windmühlen wirken so nah, als könnte man sie vom Bild greifen.

Es ist einer der seltenen Tage ohne Dunstglocke über der Rheinsenke.

Das letzte Mal, als wir hier waren, war noch T. dabei …..

Ihm scheine, sagt mein Bruder an diesem Tag, es gehöre zu den Aufgaben des Altwerdens, das Gehen der Nächsten zu ertragen.

Wenn..

Stadtimpressionen

Nach ein paar Monaten auf der Insel erlebe ich ‚Stadt‘ am ersten Tag wie einen Rausch von Eindrücken.

Es riecht anders – Abgase, das Aftershave des Nebenmannes im Bus, das Parfüm der Kundin neben mir. –

Nachts blinkert die Stadt in vielen Farben, grün, orange, rot, gelb – das fast weiße ‚Gesicht‘ der Autos – im Regen schön verwaschen….

Ein Auto fährt mit offenem Fenster vorbei – Oriental hiphop rauscht vorbei -, anfahrende oder stoppende Fahrzeuge vor der Ampel, die Unterhaltung am Nebentisch im Café südhessisch laut geführt. Vielleicht müssen die armen Frankfurter oder Darmstädter lauter mit ihrem Gegenüber sprechen, um den Straßenlärm zu übertönen ;-)). Aber in Südhessen spricht man ohnehin lauter und temperamentvoller als hier auf dem Felsen.

All das ist am ersten Tag ein Meer von tausend Eindrücken, überwältigend.

Ich finde Neues in der Stadt – Initiativen, Denkanstöße.

Am zweiten Tag habe ich schwimmen gelernt. D. ist sommerleer, die Studenten und Familien sind anderswo in der Welt. Ferienzeit.

Nicht nur der Schlossgarten ist verwaist.

Die Hörsäle im Schloss sind leer. Nur der Schatten ihrer Nutzer hängt noch im Eingang.

Am dritten Tag und vierten Tag finde ich Erholung beim Spaziergang durch Gärten, Parks und Wald.

Am fünften Tag spätestens strengt es an und verliert seinen Reiz.

Ich beginne mich zu wundern, wie Menschen übereinander gestapelt wohnen. Und ich habe selbst schon so gewohnt.

Und ich wundere mich über die großen ‚Vögel‘, die die Stadt so tief überfliegen,

ohne dass es hier unten irgendeiner zu bemerken scheint.

Bunte Pyramiden…

Waldspaziergang

Es gibt zwei Dinge, die ich hier auf Helgoland vermisse: Fahrrad fahren und Wald.

‚Wald‘ ist für mich ein Laubmischwald. Es müssen hohe Buchen, alte Eichen da sein. Darin vermischt findet sich hier und eine Waldkirsche, manchmal Kiefern oder Lärchen – oder auch eine Tanne. Das Unterholz ist vielfältig – junge Bäume, Büsche, Heidelbeeren, Pilze. Danach riecht es und nach modrigem Laub. Es darf Lichtungen und Bäche geben (Wasser unbedingt!).

Kleine Teiche sind willkommen.

Wenn wir mit unserer Mutter in den Wald gingen, war das ein besonderer Tag. Obwohl wir aus der Mitte der Stadt mit kurzen Beinen dorthin spazieren mussten, wo unser Lieblingsplatz war. Wir lernten damals, lang und ausdauernd zu laufen.

Mit der Tram – so nannte der Opa die Straßenbahn – ging’s nur in den Wald, wenn er da war. Er war ein beleibter, alter Herr.

Mein Lieblingsplatz war eine Art Terrasse im Wald – mit Bänken, so dass die Erwachsenen sich bequem setzen konnten. Darunter mäanderte ein Bach, unser Spielplatz.

Wir tauchten in eine andere Welt, bauten Staudämme, ließen Schiffchen fahren oder untergehen, entdeckten in Wurzelgeflechten seltsame Wesen,

die mal gefährlich, mal verwunschen waren.

Und was wir fanden, trugen wir nach Hause – wie heute noch ;-))

An manchen Orten überlagern sich Gegenwart und Vergangenheit

Stadtprobleme

Würde ein Außerirdischer fragen, was Städte sind, würde ich antworten:

Das sind Orte, in denen viele Menschen, manchmal übereinander gestapelt wohnen. Sie müssen auf Schritt und Tritt damit klarkommen, dass sie von anderen umgeben sind. Sie müssen ihre Nachbarn erdulden, so wie ihre Nachbarn sie erdulden müssen.

Das größte Problem, würde ich sagen, sei es, den Raum zu finden, den man zum Selbstausdruck, zur eigenen Ruhe oder für sein Auto brauche….

und das Zweitgrößte, Großzügigkeit walten zu lassen.

Barfuß oder Gummistiefel

In the middle of nowhere – dort, wo die meisten Menschen lediglich die A5 hinauf- oder hinabbrausen, findet jedes Jahr ein kleines, aber feines Festival im Schatten einer Burg statt.

Hier treffen sich Wesen aller Art,

um gemeinsam zu feiern, ein paar Tage miteinander gute Musik zu hören

und entspannt zu sein.

Wir hatten dieses Jahr Glück im Pech – schon die Anreise wurde nass.

Doch fast jeden Tag hellte der Himmel für ein paar Stunden auf.

Wie gewohnt hatten wir ein kleines Familiendorf errichtet – mit Lounge und Küche.

Der tägliche Regen weichte die Straßen des Festivals nach und nach auf.

Barfuß –

oder Gummistiefel –

Regenjacke oder Badehose –

das war die tägliche Frage.

Aber –

Der Hippiemarkt erweiterte sein Angebot.

Manches erinnerte an das letzte Schlammjahr 2017

und ‚alte‘ Sportarten wurden neu gepflegt.

Musikalisch mischte sich Altbekanntes mit Neuem –

mein Highlight war der Auftritt von Dota.

Kommt der Frühling wieder….

Diesmal kein Urlaub, sondern arbeiten am außerschulischen Lernort –

Als wir aufbrachen, fuhren auch die Rock’n’Roll-Butterfahrer zurück – auf der ‚Lady‘ herrschte Nachpartystimmung – eine kleine Box dudelte einen Song nach dem anderen, während man draußen die Konzerte auswertete, sich verabschiedete und sich auf das nächste Jahr freute.

Für uns begannen 14 Tage Werkstatttage. Unsere Schüler*innen versuchten sich in ausgewählten Berufsfeldern, sägten und bauten, schweißten und leimten, massierten und gipsten.

Wir begleiteten sie zur Arbeit, werteten gemeinsam aus, besprachen gemachte Erfahrungen, planten die Nachmittage und Abende.

Wir wohnten in einer ehemaligen Kaserne, heute ein Gelände ,das diversen Gewerben und einem Motel Raum gibt. Nur die Art der Gebäuderiegel und ein überwuchertes Namensschild erinnerten noch daran, dass hier einmal ABC-Einheiten gedrillt wurden –

gelungene Konversion, das sich kleinere Zweibeiner sofort als Beispiel nahmen ;-))

Zwischen Begleiten zum Arbeitsplatz und Betreuen in der Freizeit blieb ein wenig Zeit, um sich in Albersdorf umzuschauen.

Albersdorf liegt in lieblicher Geestlandschaft. Die letzten Gletscher der Eiszeit hatten hier ihren Müll an Kleingemergeltem und Findlingen zurückgelassen.

Zwischen kleinen Hügeln und Senken schlängeln sich Bäche, sammeln sich in Teichen, werden von kleinen Wäldchen gesäumt. Die Knicks zwischen den Feldern erinnern daran, dass die Witterung nicht immer so mild wie jetzt ist.

In Albersdorf befindet sich außerdem der Steinzeitpark.

Wer sich für den Beginn der menschlichen Zivilisation interessiert, findet hier sssehr gut präsentierte Fundstücke, reichlich Information zum Handwerk des Archäologen – und viele Angebote, selbst als Mensch in der Steinzeit tätig zu werden – sei es beim Getreidemahlen, Bogen schießen, dem Rudern eines Einbaums oder der Herstellung von Pfeilspitzen.

Als wir fuhren, hatte der Frühling begonnen

und auf dem Felsen blühen die Apfelbäume.

…kommt der Frühling, bringt das neue Licht …

Ich hänge hier nur so rum

Festlandsbesuche sind Gelegenheiten zu sehen –

manchmal isoliert, manchmal in einen neuen Kontext gestellt

oder so…..

in einem Freiluftcafé an der Kemnade –

oder hoch oben –

an der Wand des Pen-Zentrums

oder als Rest eines studentischen Projekts –

vor dem Knast, in dem die beiden einst einsaßen (Stopp: Georg war schnell weitergereist. Sein Bruder Ludwig gab sich an seiner Stelle als Georg Büchner aus. Als die Darmstädter Polizeibehörde auf die Verwechslung kam, war Georg bereits in Straßburg angekommen). Der andere ist Ludwig Weidig, der zweite Autor des Hessischen Landboten.

oder im Schaufenster eines stylischen Design-Ladens

Der Tag…..

Rendezvous in Steinau

Alors – ich könnte anfangen -„rencontre avec J….“ – ;-)) – non!

So war es nicht – die Jungs, die wir besuchten, sind zu alt –

und inzwischen unterwegs in einer anderen Dimension. Da muss die Liebe eher platonisch bleiben.

Romantisch ist es trotzdem –

die Kinderheimat von Jakob und Wilhelm Grimm ist heute ein kleines verschlafenes Fachwerkstädtchen. Die Hauptzeile hat man in einer Viertelstunde durchlaufen, wenn man es eilig hat und der alten Handelstraße folgt.

Das Haus selbst – eher ein Hof –

steht an eben jener alten Straße in der Nähe des alten Tores nach Hanau, grenzt an die Kinzig – da noch eher Bach als Fluss.

Alles an diesem Städtchen ist jetzt ein ‚eher‘ ;-). Kaum vorzustellen, dass sich hier einmal ein recht florierender Handelsknotenpunkt befand.

Der Amtshof –

heute das Brüder Grimm-Haus – empfängt seine Besucher mit drei Abteilungen: Eine zeichnet das Leben der Familie Grimm nach. Und hier findet sich auch eine kleine Hommage an Ludwig Grimm, einem begabten Illustrator, sowie der beiden anderen Geschwister.

Ein Zweite dokumentiert das sprachwissenschaftliche Vermächtnis.

Die dritte Abteilung ist eine liebevolle Dokumentation und Sammlung der verschiedensten Ausgaben der Grimmschen Märchensammlung.

Schade – zwei Sammlungen fehlen: die Ausgabe mit den Aquarellen von Ruth Koser-Michaels und das Mammutwerk mit den Bildern von Henrik Schrat.

Jakob und Wilhelm verbrachten hier nur sechs Jahre ihres Lebens. Nach dem Tod des Vaters wurde n sie von der Verwandschaft nach Kassel geholt – der Beginn ihres Weges als Wissenschaftler und engagierte politische Köpfe.

Das kleine Haus in Steinau verzichtet auf die Nachzeichnung der weiteren Lebenswege. Macht nichts- es setzt einen gelungenen Anfang.

Eine weitere schöne Mär … Das Cello