Vulnerables Idyll

Der Tag heute war hell und grell. Nachts unter Null – auch tagsüber geht noch ein recht scharfer Nordostwind, so dass an den Schattenstellen selbst am Nachmittag noch Reifstellen zu sehen sind.

Doch die Sonne macht den Kopf ganz gaga. Sie zaubert die Tränen heraus, die fließen müssen, aber sie wärmt auch Herz und Hirn.

Die ersten Basstölpel sind angekommen. Sie zupfen sich schon die Nester zurecht, leider auch mit den Plastikresten vom letzten Jahr.

Sie streiten um die schönsten Plätze. Fällt einer beim Landen auf den falschen, geht – wie bei uns Zweibeinern – eine Welle der Empörung durch die Kolonie.

Der Wahlkampf auf dem Felsen bleibt leise. Bei der Post ist jemand auf die Idee gekommen, AfD-Flyer in die Postfächer zu legen. What? Das hat schon eine andere Qualität als Flyer, die in Briefkästen gesteckt werden.

Doch am selben Tag finde ich diesen Aufkleber an einem zentralen Ort.

Der Wahlkampf wird hier still geführt und der AfD-Aufkleber ist inzwischen abgekratzt ;-).

Ich denke in den letzten Wochen oft an Viktor Klemperer, der den Aufstieg der Nazis in den Zwanzigern vor hundert Jhhren sehr anschaulich in seien Tagebüchern beschreibt. Diese sind übrigens sehr gut in einem Podcast von der Historikerin Leonie Schoeler unter dem Titel ‚Die Geschichte geht weiter‘ aufbereitet worden.

Hier draußen – 60 km vom Festland entfernt – scheinen die Katastrophen und das Geschrei der Welt weit weg zu sein. Die Basstölpel balzen schon miteinander

und setzen den Nachwuchs an.

Aber es reicht auch bis hier hin – auf die eine oder andere Weise –

und dieses kleine Idyll ist leider sehr vulnerabel.

Schrebergartenidyll

Gerade hat der Herbst begonnen – (um 14.43 Uhr – ich hab’s nachgelesen;-)) –

doch der Felsen erstrahlt in ’südlichen‘ Tagen.

Kein Wölkchen trübt den Himmel – trotz Ansage eines Wetterumschwungs – und noch einmal werden die kurzen Hosen und Sommerkleider ausgeführt oder man badet am Nordstrand in der Sonne.

Dennoch führt nichts am Ende des Sommers vorbei.

Die Heidschnucken legen sich jetzt die dicken Mäntel zu

und am Vogelfelsen sind alle abgereist – bis auf ein paar wenige, die sich noch nicht trauen.

Die Schrebergärten werden hier ‚Acker‘ genannt, auch wenn es zum Teil ganz winzige Parzellen sind.

Das erinnert an die Kartoffeläcker, die vor den Weltkriegen rechts und links der ‚Kartoffelallee‘ lagen, die von der Süd- schnurgerade zur Nordspitze führte.

(Die Karte stammt aus einer Ausgabe der ‚Gartenlaube‘ von 1890.) Damals retteten die Äcker die Insulaner über manch kargen Winter hinweg.

Heute werden dort die eigenen Tomaten, der eigene Kohl, Spinat, Salat und sogar Artischocken gezogen.

Und sie sind das Draußenwohnzimmer der Insulaner, denn Helgoländer Wohnungen sind klein.

Kein Wunder, dass sie nicht selten sorgsam ausgeschmückt werden – so wie eben auch der Drinnen-Salon.

Privat – fast scheint es, als werde der Blick auf die See alleine und nur für sich selbst beansprucht.

Nein – es richtet sich gegen allzu neugierige Blicke von Touristen, die manchmal sich nicht entblöden, ungeladen über eine Terrasse in ein Wohnzimmer einzutreten. Die Entschuldigung ist dann: „Wir wollten doch nur mal gucken, wie Helgoländer leben.“

Nun ihr Lieben – sie leben genauso wie andere Leute. Doch weil die Häuser eng aufeinander sitzen, lebt man auch eng aufeinander.

Nicht dass es auf dem Acker anders wäre, doch dort ist man ‚Mensch‘ – wie in den Festlandschrebergärten auch – was auch immer dann ‚Mensch‘ bedeutet ;-))

Und ich suche nach Herbstgedichten für meine Kurzen ……..

Am Berg

Jedes Jahr treffen sich einige tausend Hippies irgendwo zwischen Knüll und Vogelsberg und feiern vier Tage lang- es ist das kleine, aber feine Herzberg-Festival.

Das Festival hat seine eigene Choreographie – Vorbereitung, Aufbau,

– natürlich mit Stil –

und schließlich das große Fest.

Dieses Jahr falle ich ohne Vorlaufzeit fast direkt vom Felsen auf den Platz – und bin ein wenig überfordert.

Aber es ist schön, alle wiederzusehen – Geschichten zu hören, zu erzählen – so viel Wärme.

Auf dem ‚Markt‘ findet man Fressbuden,

man kann sich politisch engagieren

oder auch ….

Regen gibt es am dritten Tag – ausgiebig, so dass Festwiese wie Hauptstraße

bald im Schlamm versinken.

Feiern geht trotzdem….

Am Sonntag dann praller Sonnenschein –

mein Tipp von diesem Jahr – Teresa Bergman

Dünenzauber

Die Düne ist eine Sandbank vor unserer Hauptinsel (wenn man von Süden kommt :-)).

eine Art Stadtpark, den man mit einer kleinen Fähre innerhalb von 10 Minuten erreichen kann.

Die Hauptinsel – das Land – rückt ab, damit auch alles, was in der kleinen Community der Insel kleine und große Wellen schlägt.

T. und ich haben diese kleine Welt immer wieder genutzt, um ‚abzuhauen‘ und wenn wir abends zurückkamen, waren wir mit dem Land wieder ausgesöhnt.

Alleine bin ich seitdem nie mehr dort gewesen – es gibt halt viele kleine eigene Momente, die wir dort erlebt haben.

Besuch dagegen ist eine Gelegenheit, hinzufahren –

am Spülsaum das Wasser um die Füße streichen zu lassen,

kleine Überraschungen zu entdecken,

roten Feuerstein zu finden,

ein bisschen zu lesen,

und später im Dünenrestaurant einen Kaffee latte zu schlürfen.

Die Kolonie der Kegelrobben ist klein geworden.

Bis zum Herbst werden wieder mehr kommen und ihre Kleinen auf der Düne gebären.

Am Ende warten auf die Fähre –

und einer wartet mit.

Erinnerungen….an das schönste Kompliment, das ich je bekommen habe

Sonntag im Idyll

Den Himmel trübt kein Wölkchen und die See ist spiegelglatt.

Gäste aller Art sind auf dem Felsen draußen unterwegs – Familien, Rentner, der Kantor, der mir aus dem Aufbau Helgolands erzählt.

Auch ein paar Butterfahrer lüften sich hier oben aus.

Es ist Sonntag – doch einige arbeiten –

z..B. die Jungwissenschaftler auf dem Weg ins Felsenwatt

oder Vogelkundler

oder die Basstölpel, die jetzt am Brüten sind.

Die Kolonie ist kleiner als im letzten Jahr. Alle drei großen Siedlungsplätze sind nur etwa zur Hälfte bewohnt.

Morgen fahre ich für 14 Tage aufs Festland – …. mit ein paar Teenagern im Gepäck ;-)) … across waters