Winterstille

Im Januar beginnt der zweite Teil des Winterschlafes auf Helgoland.

Nach der Kurzsaison um die Feiertage herum haben Geschäfte, Restaurants oder Hotels wieder geschlossen und feiern Urlaub bis Anfang März.

Vielleicht als Ersatz für fehlenden Schnee

hat ein Café ein Schneewula in seinen Fenstern aufgebaut.

Nach Tagen voll Hagel, Sturm und Wintergewittern strahlt die See heute in Eisblau und tut so, als wäre sie ein Ententeich.

Eine kleine Ente hat jemand auf einem Zaunpfahl an der Nordspitze hinterlassen.

Sie blickt unentwegt nach Westen in den Sonnenuntergang.

Auch mich lässt dieser Anblick nicht los und eine Welle von Gelassenheit, ja fast Glück flutet langsam in mir auf.

Ich habe heute zum ersten Mal in meinem Leben und nach Th’s Tod vor vier Jahren Brot gebacken.

to be by your side

Postkarte – Kommen und gehen

Der Himmel ist heute so makellos blau, als habe ein Künstler sich das kitschigste Azur erschaffen, das er mischen konnte.

Die See schillert so samtig weich, als wolle sie zum Darüberstreicheln einladen.

Zwei Gäste liegen vor dem Felsen,

ein alter Segler, der hin und wieder Helgoland anläuft,

ein Kreuzfahrtmonster, aber eins von den kleineren.

Die Welt ist bunt und prall und satt in ihrem Blühen und Reifen.

Trotz alldem hat vor ein paar Tagen wieder eine Seele diese Welt verlassen.

Es war ein junger Mensch mit einer jungen Seele,

einer von den Guten,

einer von denen, die man braucht,

um die Welt zu retten.

Seine Seele findet ihren Frieden in der anderen Dimension des Seins.

Drum – werft ihm nichts nach an Gerüchten und Vermutungen.

Lasst ihn in Würde ziehen.

Kommen und Gehen“ von Gerhard Gundermann

Basstölpel

Seit meinem letzten Besuch Anfang des Monats hat sich die Community gesettelt, aber nicht nennenswert vergrößert.

Sie haben ihre Nester gefunden und polstern sie jetzt aus.

Sie lieben sich oder zetern miteinander.

Zärtlich werden die Federn geputzt

oder mit den Schnäbeln geklappert.

Dazwischen Ausflüge aufs Wasser, Mitbringsel für den Nestwächter.

Obwohl die Kolleg*innen von Jordsand die Bruthügel fein säuberlich vonallem Plastik geräumt hatten, gefällt den Vögeln das bunte Bling-Bling.

Da sind sie wie wir – auch wenn sie nicht lesen und schreiben können, kein Auto fahren oder Handys nutzen.

Einzig eine Fähigkeit haben sie uns voraus – sie können sich aus eigener Kraft in den Himmel erheben und segeln. –

Was ist der Mensch?

Weihnachten zuhause

Dieses Jahr floh ich nicht vom Felsen, sondern erwartete Besuch – ein wahrer Krimi.

Ein Sturm wurde erwartet und alle, die aufs Festland wollten, nahmen schon am 19. das Schiff. Denn keiner glaubte, dass das letzte Schiff am 23. noch fahren sollte.

Ich saß auf heißen Kohlen und wartete auf meine Lieben…….

und sie kamen doch – ein wenig grau und müde vom Schiffschaukeln – whow!

Eine intensive, gemeinsame Zeit begann …..

die dunkelsten Tage des Jahres auf dem Felsen…..

in langen Spaziergängen….

Wir fanden den inspirierendsten Weihnachtsbaum der Insel….

und sperrten Sturm und Regen aus …

Chrismas at sea…

Schnee

Naja – manchmal schneit’s auch auf Helgoland – meistens nicht nachhaltig.

Dieses Jahr nun doch – es fiel genug, damit auf dem Schulhof Schneeballschlachten stattfinden konnten. Unterricht war nicht mehr möglich, denn manche schauten verzaubert hinaus in dicke Flocken, die herabsegelten, anstatt sich den Finessen des deutschen Satzbaus zu widmen.

Es war nur ein kurzer Zauber – Mitte des Monats.

Und bevor dann alle nacheinander krank wurden, hatten die Kinder noch schnell ihre Schlitten aus dem Keller geholt und waren auf der halb verdeckten Grasnarbe einmal die Krater hinuntergerutscht.

Die Palme trug ein Spitzenhäubchen

es war kurz vor dem dritten Advent.

and a small tribute to Shane McGowan

Regenbogen

Kaum war es noch Oktober – da naht schon der erste Advent. Der November verging im Flug – angefüllt mit allem, was mein bürgerliches Leben ausmacht: Konferenzen und Klassenarbeiten, Eltern- und Schülergespräche, Termine zum Vernetzen, Termine für das Anschieben von Projekten….

Derweil fiel die Insel in den Winterschlaf – die Bürgersteige wurden hochgeklappt, Eisdielen mit Packpapier versiegelt

und das Gestühl platzsparend verwahrt

(Helgoländer Keller sind klein und meistens vollgestellt oder vermietet): Betriebsferien.

Wenn es nicht gerade stürmte, kurze Tage mit ……..

ja – Regenbögen, manchmal gleich doppelt.

Am Ende des Regenbogens soll man Schätze heben können – welchen nimmt man da nun – und an welchem Ende soll man suchen?

Der Regenbogen – heißt es im Alten Testament – sei das Zeichen für den Bund zwischen den Lebewesen der Erde und Gott.

Aber ich fürchte, wir haben diesen Bund unsererseits bisher schlecht erfüllt. Und wäre es wirklich ein Vertrag gewesen, den Noah nach den alten Schriften mit Gott geschlossen hätte, dann – ja dann hätten wir jetzt Vertragsbruchszahlungen über Jahrtausende zu berappen.

Ich hoffe auf Güte des transpersonalen Seins, darauf ,dass es nicht ist wie wir Menschen: niederträchtig, gierig, gemein und hasserfüllt. Und dass es manchmal ein Licht anzündet, das uns an Großzügigkeit, Klugheit und Liebe erinnert.

Namasté

Sturmtief

An diesem Tag erwache ich morgens und denke, irgendetwas ist falsch. Dann dringt langsam in mein Bewusstsein, dass wir eine kurze Atempause haben – Feiertag.

Regen und Sonne wechseln sich ab. ‚Noah‘ heißt der Bösewicht, der dafür sorgt, dass die Kats nicht fahren und das Schiff heute früher losgeht.

Draußen fegt ’starker Wind‘ über den Felsen – Beaufort 6. Das heißt, er hat eine Stundengeschwindigkeit von ca. 49 km.

Naja, denke ich, als ich draußen bin, so schlimm ist das nicht. Aber ich gehe auf der Ostseite – also im Windschatten.

Die Sonne scheint – am Himmel Krawall – die See kappelig mit weißen Schaumkronen über dem ‚Kälberdanz‘, der Untiefe, wo einst die Verbindung zwischen Hauptinsel und Düne bestand.

Der Wind zieht Strähnen aus meinem Zopf. Er heult in meinen Ohren. Manchmal drückt er gegen mich. Ich denke nach, wie sich Wind auf eine Fläche fangen lässt. Doch nein, er ist ein Gesamtkunstwerk und will mit allen Sinnen aufgenommen werden.

An der Nordspitze schieben sich dunkle Wolken Richtung Felsen.

Stück für Stück rückt ein schweres Regenpaket Richtung Felsen. Dann tropft es schwer und dicht. Der Wind brist auf – Zeit weiterzugehen.

Im Nu glänzt der Weg nass –

Und jetzt – auf der Westseite – drückt der Wind mich mal zur Seite, mal schiebt er im Rücken nach vorne. Er spielt auf den Drähten des Klippenzaunes ein Lied.

Stehen bleiben kann ich nur kurz, denn es kostet mehr Kraft als sich weiter Richtung Dorf treiben zu lassen.

Heute plane ich meine Reise aufs Festland. Ja – drei Wochen Ferien stehen bald bevor. Doch kein Grund zum Neid – ich habe an vier von fünf Wochenenden durchgearbeitet.

Der Klimawandel macht sich auch hier bemerkbar. Das Wetter wird schwerer kalkulierbar – schlecht für Reiseplanungen. Und – in Cuxhaven hat man einen wichtigen Zug nach Süden gestrichen – den Zug, der es möglich machte, im Winter noch um Mitternacht in Südhessen anzukommen – :////

Der Regenbogen ist ein kleiner Trost –

If the wind blew me away…

Langeschattenzeit

Vor 14 Tagen zog der erste gewaltige Herbststurm über den Felsen.

Danach begann die Zeit der langen Schatten.

Sonnen-

und Regenzeiten wechselten rasch.

Die Spatzen badeten in meiner Karre.

Die Luft war noch sommerlich lau.

und der Wind an der Nordspitze draußen blies noch milde aus Westen.

Die Basstölpel haben die Insel verlassen und sind mit ihren Jungvögeln in den Nordatlantik zurückgekehrt.

Die Bäume tragen Glatzen. Im Sommer warfen sie die vertrockneten Blätter ab. der Rest wird sich wohl nicht mehr verfärben.

Im James-Krüss-Laden erinnert ein alter Apparat an die Zeiten, als James Krüss der gute Fernsehonkel mit Kater Mikesch war.

Und dort – weit hinter dem Horizont liegt England.

Wohin wird der Wind uns treiben ….

Kunscht 2

Im Süden von Darmstadt – am Stadtrand, der langsam in den Odenwald übergeht – befindet sich seit 2022 der Internationale Waldkunstpfad.

In der Tradition der land art

haben Künstler dort mit den Materialien, die der Wald bietet (manchmal auch anderem) etwas geschaffen,

das nicht für die Ewigkeit, aber doch ein paar Jährchen gedacht ist.

Manches wurde zusammen mit Kindern erbaut und ersponnen.

Anderes erinnert an Bauten auf der Fusion, einer Konvention mitten in Brandenburg.

Man findet Kommentare zu unserem Lebensstil

wie auch Warnungen vor ihm

wie diese Riesenspinne als Überbleibsel einer Weltkatastrophe.

Baumhäuser umhüllen hoch gewachsene Buchen, ohne dass sie erreichbar wären.

Ein Luftschloss hängt zwischen Bäumen – festgezurrt, obwohl es doch schweben sollte.

Ein Ahn thront über seiner Stätte.

Und über allem wacht Mutter Erde und umarmt die Welt.

oh tierra